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…because liberty is not negotiable.

Israeli Apartheid Week?

Ich schätze die Kollegen von sokrates.lu sehr. Ihr Portal hat die luxemburger Internetlandschaft bereichert und es ist immer wieder interessant den Diskussionen zu folgen, doch geht einer ihrer letzten Artikel arg am Kern des Problems vorbei und verharrt auf den üblichen Klischees. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie schnell der Versuch einer Kritik in Vorurteile zu fallen droht.

Es geht um die Israeli Apartheid Week. In dieser zweiwöchigen Woche vom 1. bis zum 14. März wird den Ungleichheiten zwischen Israelis und palästinensischen Arabern gedacht.

Der Palästinakonflikt begann übrigens nicht „1948 mit der Gründung vom Staat Israel“. Aber das nur nebenbei.

Beginnen wir mit dem Begriff Apartheid. Die Definition

a system of institutionalized racial segregation and discrimination for the purpose of establishing and maintaining domination by one racial group over another and systematically oppressing them.

trifft gerade nicht auf Israel zu, denn „ institutionalized racial segregation and discrimination“ ist nicht gegeben. 20% der Israeli sind Araber. Und sie genießen volle Rechte und Pflichten. Da Israel ein sehr heterogenes Land ist, kommt es zu vielen Sonderstellungen und Ausnahmen (welche z.B. auf Orthodoxe und andere Gruppen, Militärdienst ist das gängige Beispiel), aber von systematischer Trennung kann keine Rede sein.
Der andere Punkt „for the purpose of establishing and maintaining domination by one racial group over another“ fällt damit auch weg. Es stimmt einfach nicht, dass die arabischen Israeli vogelfrei wären und von den jüdischen Israeli unterdrückt sind. Sogar arabische Parteien sind in der politischen Landschaft vertreten, Mehrsprachigkeit (iwrit, arabisch und englisch) findet man überall in Israel.
Der Einwand, dass es aber für Gaza und in Teilen das Westjordanland gelte, ist damit allerdings gegen die Definition, welche ausdrücklich von einer rassistischen Trennung, und nicht einer geographischen, ausgeht. Die Hintergründe sind andere, der Vorwurf der Apartheid falsch.

Dass Siedlungen auf illegalen Gebieten volle israelische Rechte erhalten, wäre in der Tat ein diskussionswürdiger Punkt. Es stimmt aber nicht, dass Israel das Recht hat einfach alles Platt zu machen.

„Palästinenser riskéieren stänneg hiert Land konfiskéiert oder hier Heiser zerstéiert ze kréien.“

Auch für israelische Soldaten gelten Gesetze, aus Willkür wird kein Haus niedergebaggert und auch Land geklaut, wie es der Artikel suggeriert.

Anschließend wird man darauf aufmerksam gemacht, dass:

„D’ziel dovunner ass et, Palästinenser an ëmmer méi kléng Gettoen ze drängen an jiddesch Siedlungsgebidder an den waasserräich Regiounen opzebauen.“

Was hier beschrieben wird ist der alte Traum von Großisrael und die Kontrolle über das Wasser auf Kosten der Bevölkerung. Zwei der üblichen antiisraelischen Schlagworte. Allerdings gibt es dafür keine Beweise, nicht einmal Hinweise. Es bleibt beim nackten Vorurteil.

Die Grenzsperren sind Streitpunkt. Fakt bleibt aber auch, dass seit Errichtung der Grenzkontrollen die Attentate in Israel stark zurückgegangen sind. Wir erinnern uns, dass während der zweiten Intifada beinahe wöchentlich in Bussen und Cafés der israelischen Großstädte Selbstmordanschläge verübt wurden? Wie soll man dagegen ankommen, wenn nicht durch Grenzkontrollen? Einfach alles wegbomben? Die Grenzkontrollen sind, so unwirklich es klingen mag, die humanere Form der Selbstverteidigung Israels.

Endlich ein Wort zu den terroristischen Anschlägen. Ja, es ist ein Teufelskreis, der Durchschnittsbewohner Palästinas, interessiert sich wenig für die geschichtlichen Verzwickungen, und wenn Israel sich abkapselt und mit der notwendigen Gewalt seine Bürger schützen möchte, ist das „big picture“ nur schwer verständlich. Daraus wächst weiterer Extremismus, auch bei Leuten, die eigentlich apolitisch sind und einfach nur ihr Leben leben wollen. Doch die Frage ist dann, wer soll den ersten Schritt tun? 2005 hat Israel den Gazastreifen verlassen und bekam als Antwort Kassamhagel auf den Süden des Landes. Die zweite Intifada von 2000 begann unter fadenscheinigen Anlässen, obwohl mit Oslo zumindest auf dem Papier schön nachlesbare Fortschritte erzielt wurden.
An wem ist es also, den ersten Zug zu machen? Lockert Israel seine Strategie, sind morgen wieder Busse und Bistros wahllose Tatorte von Attentaten. Erst wenn die palästinensischen Autoritäten ihre Strategie ändern und Terrorgruppen rigoros den Kampf ansagen und es dabei schaffen die Bevölkerung hinter sich zu vereinen, erst dann kann Israel nachziehen. Der praktische Teil liegt bei Abbas & Co. Israel kann erst nachgeben, wenn für seine Bevölkerung die Gefahr minimiert wurde. Und diesen ersten Teil können nur die Palästinenser selbst erfüllen – und dies in erster Linie im eigenen Interesse.

Der Artikel auf sokrates.lu endet mit einer eigentlich längst widerlegten Karte. Sie sieht so schön griffig aus, und doch ist so ziemlich alles daran falsch. Spirit of Entebbe machte sich die Mühe die Karte auseinanderzunehmen.

Nur soviel in aller Kürze: Das grün Gefärbte auf der ersten Karte 1946 ist keineswegs „Palästina“, sondern britisches Mandatsland, vor WW1 noch osmanisches Reich, ein Land „Palästina“ gab es nie. Die Karte mit „palestinian loss“ zu übertiteln ist nichts weiter als antiisraelische Propaganda.
1947 wurde der UN-Teilungsplan von den arabischen Ländern abgelehnt, Israel akzeptierte. Diesen Umstand findet man auf der Karte nicht wieder.
Vom israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 (der übrigens ein Angriffskrieg der umliegenden Staaten auf das noch junge Israel war) bis 1967 war das, was auf der Karte „palestinian Land“ bezeichnet wird, Teil von Ägypten (Gaza) und Jordanien (Westbank). Ganze 19 Jahre also in Fremdherrschaft, aber Israel war weiterhin der Hauptfeind.
Die letzte Karte springt ins Jahr 2000 und der unkritische Leser weiß nicht, dass während der Zeit zwei weitere (größere) Kriege gegen Israel geführt wurden (6-Tage-Krieg und Yom-Kippur-Krieg). Beide Kriege gewann Israel – und dies ohne der Aggressor zu sein. Nicht zu vergessen die erste Intifada von 1987.

Auch die Kommentare zum Artikel sind zu erwähnen. Es ist begrüßenswert, dass sich gleich zwei User kritisch zum Text äußerten.
Jemand zitiert Tutu und Mandela, mit der Aussage, dass man im Apartheidsdiskurs nur „Südafrika“ mit „Israel“ zu vertauschen bräuchte und man hätte 1:1 dieselbe Situation.
Wie bereits oben beim Abriss der Geschichte des Nahen Ostens angesprochen, kommt eine solche Aussage nur in Unkenntnis der Historie zustande. Zionismus als „religiös-metaphysisches“ Gebilde ist ebenfalls eine grobe Fehleinschätzung. Genauso wie Israel fehlende Säkularisierung vorzuwerfen und ein radikales Judentum herbeizufabeln. Gerade in Sachen Religionsfreiheit und Religionsausübung gehört Israel zu den liberalsten Ländern überhaupt, was zu einer offeneren Präsenz der Religion im Alltag führt, dieser Pluralismus aber nicht per se anti-säkular zu nennen ist.
Der Hinweis auf antizionistische Juden darf natürlich auch nicht fehlen.
Manches lässt sich auch reduzieren auf das altbekannte „Man wird es ja mal sagen dürfen…“ und diesen Satz braucht man in Zeiten der üblichen Verdächtigen nicht weiter zu erklären.

Durch Aktionen wie die „Israeli Apartheid Week“ wird dem Nahen Osten nicht geholfen, ganz im Gegenteil. Sie dienen nur dazu Feindbilder weiter aufzubauen. Wände werden damit nicht eingerissen, sondern nur Israels legitime Selbstverteidigung untergraben und totalitäre Ideologien unterstützt.

Weitere Links:

Israelische „Apartheid“? – Ein verleumderischer Vorwurf

Die Rassismus-Woche

Ethnische Saeuberungen in Jerusalem

Four Left Wing Myths About Israel

Enteignung und Vertreibung der Palästinenser durch Israel

März 8, 2010 - Posted by | Antisemitismus, Israel, Judentum, Offene Gesellschaft, Pluralismus, Toleranz | , ,

3 Kommentare »

  1. Passend zum Thema: http://www.hudsonny.org/2010/03/for-israels-arabs-it-is-not-apartheid.php

    Kommentar von nestor | März 16, 2010

  2. Link auf aro1 finktioniert nicht.

    Der Link hier sollte zum richtigen Artikel führen (google-suche sei dank 😉 :

    hier

    Kommentar von Hinweis | September 13, 2010

  3. Danke für den Hinweis!

    Kommentar von CK | September 13, 2010


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